Hintergrund: Das Außensteuergesetz in Verbindung mit der Funktionsverlagerungsverordnung ist ein Instrument des deutschen Fiskus zur Besteuerung von Vorgängen, bei denen ein Inländisches Unternehmen eine sogenannte Funktion ins Ausland (bzw. auch umgekehrt) verlagert. Über eine obligatorische Bewertung der verlagerten Funktion wird ein Transfergewinn ermittelt, der zu versteuern ist. Der deutsche Fiskus hat damit einen Regelungsrahmen geschaffen, der die „Steuerflucht“ deutscher Unternehmen aufgrund „attraktiver“ Steuersätze ins Ausland beschränken soll.

Regelungsrahmen: Den normativen Regelungsrahmen für Funktionsverlagerungen bildet das Außensteuergesetz (AStG) in Verbindung mit der Funktionsverlagerungsverordnung und den Verwaltungsgrundsätzen für Funktionsverlagerungen (vgl. Funktionsverlagerungsverordnung [kurz FVerlV] vom 12.08.2008, BGBl. I S. 1680 sowie die Grundsätze für die Prüfung der Einkunftsabgrenzung zwischen nahe stehenden Personen in Fällen von grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen [kurz Verwaltungsgrundsätze Funktionsverlagerung] vom 13.10.2010):

§ 1 Abs. 3 S. 9 AStG i.V.m. § 1 Abs. 2 FVerlV: In Fällen von Funktionsverlagerungen sind Verrechnungspreise grundsätzlich auf der Grundlage einer Verlagerung der Funktion als Ganzes (Transferpaket) zu bestimmen. Einem fremden Dritten in der Situation des übernehmenden Unternehmens käme es auf die Übernahme der Funktion (und auf die damit verbundenen Gewinnaussichten) an und nicht vorrangig auf den Erwerb oder die Nutzung einzelner Wirtschaftsgüter.

§ 1 Abs. 3 S. 10 AStG: In bestimmten Fällen von Funktionsverlagerungen ist auch eine Einzelpreisbestimmung für die betroffenen Wirtschaftsgüter und Vorteile zulässig.

§ 1 Abs. 3 S. 1 bis 4 AStG: Fremdvergleichswerte können herangezogen werden, sofern diese ausreichend zuverlässig für das Transferpaket ermittelbar sind.

§ 1 Abs. 3 S. 5 bis 8 AStG: Sofern keine Fremdvergleichswerte ermittelt werden können, ist ein hypothetischer Fremdvergleich durchzuführen.

Fremdvergleichsgrundsatz: Die Bewertung von Transferpaketen erfolgt vom Grundsatz her auf der Basis von Fremdvergleichen. Da sich Transferpakete regelmäßig individuell zusammensetzen und somit einen Fremdvergleich in der Mehrzahl der Fälle erschweren, wird bei der Bewertung von Transferpaketen regelmäßig ein hypothetischer Fremdvergleich durchgeführt. Danach erfolgt die Quantifizierung der für die Bewertung relevanten Gewinnerwartung des abgebenden und des aufnehmenden Unternehmens hypothetisch durch zwei „ordentliche und gewissenhafte“ Geschäftsleiter. Hintergrund ist, dass auf solche Gewinnerwartungen ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter aus der Sicht des verlagernden Unternehmens nicht unentgeltlich verzichten würde. Aus der Sicht des übernehmenden Unternehmens wäre ein solcher Geschäftsleiter bereit, hierfür ein Entgelt zu zahlen. Dieser Ansatz simuliert auf der Grundlage der Informationstransparenz (§ 1 Abs. 1 S. 2 AStG) eine Verhandlungssituation zwischen dem verlagernden und dem übernehmenden Unternehmen, der die unterschiedlichen Verhandlungspositionen und die jeweilige Verhandlungsstärke aufgrund der individuellen geschäftlichen Verhältnisse aus Sicht beider ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter mit einbezieht.

Bewertungsverfahren: Bewertungstechnisch ist der finanzielle Nutzen aus dem Transferpaket (bzw. aus den betreffenden immateriellen Wirtschaftsgütern) maßgebend, der sich aufgrund einer betriebswirtschaftlichen Bewertung nach einem kapitalwertorientierten Verfahren ergibt, das national (z.B. IDW S 1 oder IDW S 5) oder international (z.B. ISO 10668) anerkannt ist. Der jeweilige Barwert ist verfahrenstechnisch auf der Grundlage des jeweils zu erwartenden „Reingewinns nach Steuern“ (= Zukunftserfolgswert; vgl. § 1 Abs.4 FVerlV; IDW S 1 i.d.F. 2008, Tz. 5) zu ermitteln. Grundlage hierfür ist die Annahme, dass sich der Wert einer verlagerten Funktion aus deren Eigenschaft ergibt, künftige Erfolgsbeiträge in Form von Einnahmeüberschüssen zu erwirtschaften. Ob ein Bewertungsverfahren anzuwenden ist, das dem IDW S 1 oder dem IDW S 5 oder einem anderen betriebswirtschaftlich anerkannten Verfahren entspricht und steuerlich für die betreffende Fallgestaltung anzuerkennen ist, hängt vom Charakter und der Bedeutung der Funktionsverlagerung ab.

IDW S 1: Stellt sich im Einzelfall eine Funktionsverlagerung als Verlagerung eines Unternehmens oder eines Betriebsteils dar, der über eine eigene Lebensfähigkeit verfügt, ist ein Bewertungsverfahren sachgerecht, das dem IDW S 1 entspricht.

IDW S 5: Werden von der Funktionsverlagerung vor allem immaterielle Wirtschaftsgüter betroffen, liegt die Anwendung eines Bewertungsverfahrens, das dem IDW S 5 entspricht, nahe.

Durch die vorgenannten Bewertungsverfahren sind jeweils subjektive Unternehmenswerte zu ermitteln.

Grundsätzliche Vorgehensweise: Sofern ein Fremdvergleich nicht herangezogen werden kann, wird auf einen sogenannten hypothetischen Fremdvergleich abgestellt, der wie folgt durchzuführen ist:

Hypothetischer Fremdvergleich:

  1. Bewertungsgrundsatz: IDW S 1 bzw. IDW S 5,
  2. Ermittlung der jeweiligen Reingewinne nach Steuern,
  3. Festlegung des Kapitalisierungszeitraums unter Berücksichtigung der konkreten Umstände der Funktionsausübung,
  4. Diskontierung der jeweiligen Reingewinne nach Steuern mit einem Kapitalisierungszinssatz, der die mit der Funktion zusammenhängenden Chancen und Risiken angemessen berücksichtigt,
  5. Ermittlung des Einigungsbereichs und Ermittlung des maßgeblichen Wertes im Einigungsbereich (Gewichtung zwischen Mindest- und Höchstpreis in der Regel 50:50).