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Was ist der Liquidationswert?
Berechnung des Liquidationswertes
Wo kommt der Liquidationswert zum Einsatz?

Was ist der Liquidationswert?

Den Liquidationswert erzielt man für ein Wirtschaftsgut, wenn man dieses versilbert, d.h. verkauft. Erfolgt der Verkauf unter Zeitdruck, dann kann der Liquidationswert von dem unter normalen Bedingungen zu erzielenden Marktpreis abweichen. Im Rahmen der Unternehmensbewertung sind die Unternehmenswerte bei Fortführung – Ertragswert – und bei Aufgabe und Zerschlagung des Unternehmens – Liquidationswert – zu unterscheiden. Der Liquidationswert wird ergänzend zum Ertragswert ermittelt, um zu überprüfen, ob die Unternehmensaufgabe gegebenenfalls einen höheren Erlös als die Fortführung des Unternehmens erbringt. Der Liquidationswert wird, wie der Ertragswert, zum Bewertungsstichtag berechnet. In der Regel erfolgt die Bewertung aus der Perspektive einer natürlichen Person als Gesellschafter, womit auch für den Liquidationswert die Einkommensteuer zu berücksichtigen ist. Hinsichtlich der Berücksichtigung der Einkommensteuer ist der Bewertungsanlass zu klären und in Abhängigkeit davon die Einkommensteuer im Kalkül zu erfassen.

Als Entscheidungswert – der Gesellschafter fragt sich, ob er zum Ertragswert verkaufen oder liquidieren soll – ist der Ertragswert der Beteiligung (die unter Berücksichtigung der laufenden ESt-Belastung ermittelt wurde), nach Abzug der Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn bei einer Veräußerung, dem Liquidationswert nach Einkommensteuer gegenüberzustellen.

Wenn ein Abfindungswert ermittelt wird, ist der Ertragswert der Beteiligung (die unter Berücksichtigung der laufenden ESt-Belastung ermittelt wurde), vor Abzug der Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn, dem Liquidationswert vor Einkommensteuer gegenüberzustellen. Denn die Einkommensteuer muss der Gesellschafter in beiden Fällen zahlen, wenn er die Abfindung erhalten hat, sei es die Abfindung wird auf Grundlage des Ertragswertes oder des höheren Liquidationswertes ermittelt.

Wenn nicht betriebsnotwendiges Vermögen vorliegt, ist dieses fiktiv im Unternehmen zu verkaufen (somit nach Unternehmensteuer zu erfassen) und als Teil der Ausschüttung nach Einkommensteuer zu berücksichtigen. Ob dann noch Einkommensteuer auf den Veräußerungsgewinn bei einem Anteilsverkauf zu berücksichtigen ist, hängt davon ab, ob ein Entscheidungswert ermittelt wird, oder ob Sie einen Abfindungswert ermitteln.

Der Liquidationswert des Unternehmens ist wie der Liquidationswert eines einzelnen Vermögensgegenstandes davon abhängig, wie schnell der Verkauf realisiert werden kann bzw. muss. Bei der Liquidation von Unternehmen beeinflusst auch der Grad der Zerschlagung das Ergebnis. Das heißt, dass auch bei der Auflösung des Unternehmens gegebenenfalls ein Teilbetrieb verkauft werden kann. Bei dem Verkauf eines Teilbetriebs kann der darauf entfallende Teilbetriebs-Geschäftswert erlöst werden. Bei der Total-Zerschlagung, d.h. dem Verkauf des Unternehmensvermögens in Einzelteilen, wie z.B. dem Verkauf einzelner Grundstücke, Maschinen und Rohstoffe, kann ein Geschäftswert nicht mehr im Verkaufspreis berücksichtigt werden. Die Liquidationsgeschwindigkeit und die Liquidationsintensität spielen für die Höhe des Liquidationserlöses somit eine wichtige Rolle.

Die Bewertung zum Liquidationswert ist (nur) ein fiktiver Wert als Entscheidungs- oder Abfindungsgrundlage. Eine tatsächliche Liquidation muss deshalb nicht beabsichtigt sein.

Wie berechnet man den Liquidationswert?

Das Liquidationswertverfahren ist ein Einzelbewertungsverfahren. D.h. das Unternehmensvermögen wird „buchhalterisch“ aufgelistet und in Bilanzform dargestellt. Die Buchwerte der Vermögensgegenstände (VG) und Schulden (S) werden allerdings durch die zum Bewertungsstichtag relevanten Veräußerungspreise ersetzt. Zum Ansatz kommen nicht nur bilanzierte Vermögensgegenstände, sondern das gesamte im Eigentum des Unternehmens befindliche Vermögen, d.h. auch die nicht bilanzierten Vermögensgegenstände, wie z.B. selbst erstellte, nicht bilanzierte Patente. Von dem Liquidationserlös des Vermögens werden die Schulden zum Abzug gebracht. Das Ergebnis ist der Liquidationswert.

Für Beteiligungen im Vermögen des Unternehmens kommt deren Veräußerungspreis zum Ansatz. Dieser richtet sich als erste Schätzung nach dem Ertragswert der Beteiligung, gegebenenfalls plausibilisiert durch eine Multiplikatorbewertung, um das aktuelle Marktpreisniveau abgleichen zu können. Werden in Bearbeitung befindliche Aufträge (unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen) liquidationsbedingt nicht mehr fertiggestellt, sind zu erwartende Vertragsstrafen als Schulden zu berücksichtigen. Da durch den Veräußerungsprozess die stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern und Schulden aufgedeckt werden, sind die darauf entfallenden Steuern vom Liquidationserlös abzuziehen. Durch die Vollbeendigung fließen die Liquidationserlöse dem Gesellschafter zu, womit auch die entstehende Einkommensteuerbelastung zu berücksichtigen ist. Die Kosten eines Sozialplans sind nur als Schuldposten zu erfassen, wenn das Unternehmen einen Betriebsrat hat. Andernfalls besteht kein Anspruch auf einen Sozialplan. Durch die Liquidationsannahme zum Bewertungsstichtag werden die Darlehensverbindlichkeiten gegenüber den finanzierenden Banken zurückgeführt. Hier werden unter Umständen Vorfälligkeitsentschädigung ausgelöst, weshalb diese in den Schuldposten zu berücksichtigen sind. Die Ansprüche aus Urlaubsrückstellungen werden gegebenenfalls im Rahmen eines Sozialplans berücksichtigt. Ohne Sozialplan stellt die Urlaubsrückstellung einen Zahlungsanspruch der Mitarbeiter dar. Für die Abwicklung und Organisation der Liquidation wird i.d.R. der Geschäftsführer tätig, der dann als Liquidator bezeichnet wird. Die Kosten des Liquidators stellen ebenfalls einen Schuldposten bei der Ermittlung des Liquidationserlöses dar.

Das nicht betriebsnotwendige Vermögen ist zum Veräußerungspreis zu bewerten. Eine alternative Bewertung zum Fortführungswert und Liquidationswert, wie im Rahmen der Ertragswertermittlung des Unternehmens, kommt nicht in Fragen, da bereits die fiktive Zerschlagung des Unternehmens als Szenario unterstellt wird. Der Liquidationswert des Unternehmens ergibt sich als Saldogröße, wie das Eigenkapital in einer Handelsbilanz.

liquidationswert

Wo kommt der Liquidationswert zum Einsatz?

Bei normenbasierten Bewertungsanlässen wurde der Liquidationswert bei der Ermittlung von Abfindungswerten einer BGB-Gesellschaft gemäß § 738 BGB verwendet. Diese Verfahrensweise wurde jedoch zwischenzeitlich geändert, da die Auflösung der Gesellschaft durch Gesellschafteraustritt nicht zwangsläufig die Auflösung des Unternehmens bedeutet. Die Liquidationshypothese wurde somit aufgegeben. Für die Ermittlung von Abfindungsansprüchen kommt bei der BGB-Gesellschaft somit nun der Ertragswert zur Anwendung.

Bei aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen galt der Liquidationswert zunächst als Mindestwert der Abfindung von abfindungsberechtigten Aktionären. Das OLG Düsseldorf hat mit der Entscheidung vom 27.2.2004 die Kriterien für den Ansatz des Liquidationswertes jedoch wie folgt eingeschränkt.

„Danach kommt eine Heranziehung des Liquidationswertes nicht in Betracht, wenn

– der Unternehmer nicht die Absicht hat, das Unternehmen zu liquidieren,

– keine finanzielle Notwendigkeit besteht, den Betrieb ganz oder teilweise aufzulösen,

– die Betriebsfortführung wirtschaftlich nicht unvertretbar erscheint,

– der Unternehmer dem Anspruchsgegner nicht zur Liquidation des Betriebes verpflichtet war.“

In Bewertungsgutachten zu aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen wird der Liquidationswert deshalb regelmäßig nur überschlägig ermittelt und darauf hingewiesen, dass am Bewertungsstichtag keine Liquidationsabsicht besteht und der Liquidationswert damit für die Abfindungsermittlung keine Bedeutung hat. Nach den dargestellten Kriterien bedeutet das aber auch, dass bei einer planungstechnisch erkennbaren dauerhaften Verlustsituation eine Betriebsfortführung nicht vertretbar ist. Hier kann nur der Liquidationswert zum Ansatz kommen. Die Mindestwertregel zum Liquidationswert bei aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen ist zum einen in der Literatur immer wieder kritisiert worden. Zum anderen ist eine Übertragung auf andere Bewertungsanlässe, etwa auf vertragliche Abfindungswertermittlungen oder im Familienrecht, nicht unbesehen übertragbar.

Die Liquidation eines Unternehmens kann einen gewissen Zeitraum in Anspruch nehmen. Die Erlöse aus der Liquidation sind dann, wie im Ertragswertverfahren, mittels eines Kalkulationszinssatzes auf den Bewertungsstichtag zu kapitalisieren. Bei der Ableitung des Kalkulationszinssatzes ist darauf zu achten, dass die Liquidation des Unternehmens nicht unbedingt mit dem operativen Risiko aus der Fortführung des Unternehmens übereinstimmt. Bei der Bestimmung des Liquidationszeitraumes ist bei normenbasierten Bewertungen die einschlägige Rechtsprechung zu berücksichtigen. Hier wird auf eine, wenn auch fiktive, zeitnahe Liquidation Wert gelegt.

Bei einem Unternehmensverkauf gilt die Mindestwertbetrachtung hinsichtlich des Liquidationswertes auf jeden Fall. D.h. der Verkäufer sollte dem nach einem Ertragswertverfahren oder Multiplikatorverfahren ermittelten Unternehmenswert immer den Liquidationswert gegenüberstellen. Übersteigt der Liquidationswert den Ertragswert oder Multiplikatorwert, ist die Liquidation des Unternehmens die ökonomisch vorziehenswürdige Alternative. Allerdings kann die Liquidationsalternative nur vom Verkäufer sinnvoll ausgeübt werden. Der Verkäufer kann den Liquidationswert somit nicht vom Käufer als Unternehmenskaufpreis verlangen, wenn dieser das Unternehmen fortführen möchte. Der Käufer kann den Liquidationswert nur erzielen, wenn er nach dem Unternehmenskauf seinerseits das Unternehmen liquidiert. Es würde für den Käufer somit keinen Sinn machen, sich mit einer Liquidation zu beschäftigen, um anschließend den bezahlten Liquidationswert wieder zu erlösen.

Bei der Bewertung von Unternehmen mit dem Ertragswert ist das nicht betriebsnotwendige Vermögen grundsätzlich mit dem Liquidationswert zu berücksichtigen. Allerdings gilt auch hier, dass der Liquidationswert nur dann zu verwenden ist, wenn er den Ertragswert des nicht betriebsnotwendigen Vermögens übersteigt. Verfügt ein produzierendes Unternehmen somit zum Beispiel über eine Wohnimmobilie, deren Marktpreis am Bewertungsstichtag den Ertragswert der Immobilie übersteigt, dann ist die Immobilie im Rahmen der Ertragswertermittlung des Unternehmens fiktiv zu veräußern und so ihr Liquidationswert samt Steuerbelastung darauf im Ertragswert zu erfassen. Wird für das Unternehmen der Liquidationswert ermittelt, besteht für das nicht betriebsnotwendige Vermögen kein Raum für einen Ansatz zum Fortführungswert. Hier ist immer der Marktpreis anzusetzen.

Eine Besonderheit gilt bei der steuerlichen Bewertung unter Verwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens. Hier soll das nicht betriebsnotwendige Vermögen gemäß § 200 Abs.2 BewG generell mit dem gemeinen Wert bewertet werden. D.h. eine Wertüberprüfung zwischen Ertragswert und Liquidationswert, wie in IDW S1 geregelt, findet nicht statt.