In 2012 wurde erneut eine Vielzahl aktienrechtlicher Squeeze-Outs durchgeführt. Dabei ist für die Ermittlung der Abfindung der ausscheidenden Aktionäre eine Bewertung der Anteile vorzunehmen, bei der die Bewerter regelmäßig vor einem methodischen Problem bei der Ermittlung des Betafaktors stehen.

Den ausgeschiedenen Aktionären steht eine Abfindung zu, die mindestens dem Verkehrswert der Aktien (d.h. dem Börsenkurs) entspricht. Sollte im Rahmen einer Unternehmensbewertung nach dem Ertragswertverfahren ein höherer Schätzwert der Anteile ermittelt werden, ist dieser Wert als Abfindung anzusetzen.

Bei der Bewertung von börsennotierten Unternehmen ist die Ableitung des Betafaktors grundsätzlich direkt aus den eigenen historischen Kursdaten des zu bewertenden Unternehmens möglich. Im Sonderfall eines Squeeze-Out ergeben sich bei der Ermittlung des Betafaktors jedoch methodische Probleme, da die Aktien aufgrund ihres geringen free floats unregelmäßig und selten bis gar nicht gehandelt werden. Empirische Studien haben gezeigt, dass unregelmäßig gehandelte Aktien systematisch zu niedrigen Betafaktoren führen.

Wie also ist mit Betafaktoren umzugehen, die aufgrund des geringen free floats vor einem Squeeze-out auf unregelmäßigen historischen Börsenkursen basieren?

Rechtsprechung, Gesetze und Literatur liefern dazu folgende Punkte:

  • Das BVerfG hat festgestellt, dass der Verkehrswert einer Aktie ihr Börsenkurs ist. Der BGH hat zwei Jahre später konkretisiert, dass der Börsenkurs ausnahmsweise nicht dem Verkehrswert der Aktie entspricht, wenn über einen längeren Zeitraum mit den Aktien der Gesellschaft praktisch kein Handel stattgefunden hat, aufgrund der Marktenge der außenstehende Aktionär nicht in der Lage war seine Aktien zum Börsenkurs zu veräußern oder der Börsenpreis manipuliert worden ist. Daraus lässt sich ableiten, dass ein im Sinne des Verkehrswertes nicht relevanter Börsenkurs auch nicht für eine Betaschätzung relevant sein kann.
  • Die Rechtsprechung des OLG Stuttgart weist darauf hin, dass „die Aussagekraft historisch ermittelter Betafaktoren (…) aber bei der für Squeeze-out-Fälle wegen des geringen Streubesitzes typischerweise nur geringen Liquidität der Aktie beeinträchtigt (wird)“.
  • § 5 Abs. 4 der WpÜG-Angebotsverordnung liefert einen Hinweis zur Verwendung von Börsenkursen bei geringem Handel: sofern im Untersuchungszeitraum an weniger als einem Drittel der Börsentage Kurse festgestellt werden konnten und mehrere nacheinander festgestellte Kurse um mehr als 5 % voneinander abweichen, so ist der Börsenkurs nicht heranzuziehen. Diese Kriterien können in der Regel auch für den Minderheitsausschluss herangezogen werden. Auch daraus lässt sich ableiten, dass ein unter diesen Umständen zustande gekommener Börsenkurs nicht als Grundlage für eine aussagekräftige Betaschätzung dienen kann.
  • In der Literatur werden Schätzverfahren diskutiert, die Betafaktoren bei unregelmäßigem Handel ermitteln, indem sie die Aussagekraft bei geringem Handelsvolumen verbessern (z.B. trade-to-trade Verfahren). Dabei werden nur Kurse an Tagen verwendet, an denen ein Handel stattfand. Damit werden alle Null-Renditen aus der Regression eliminiert, was ein variables Renditeintervall zur Folge hat, den Stichprobenumfang stark reduziert und damit die Normalverteilungsannahme für die Renditen nicht mehr erfüllt. Diese so ermittelten Betas liegen auch bei diesen Verfahren in der Regel bei Werten nahe Null. Befürworter dieser Vorgehensweise und der Verwendung von „Null-Betas“ sehen darin kein Problem, da sich im Fall eines Squeeze-Out aufgrund der Beeinflussung durch den Hauptaktionär die Risikolage des Unternehmens nach Ihrer Einschätzung weitgehend von Marktrisiken entkoppelt und das sehr geringe Beta trotz geringer Bestimmtheitsmaße mit den Annahmen des CAPM kompatibel ist. Gegner dieser Verfahren weisen darauf hin, dass die Beseitigung der schwachen Aussagekraft historisch ermittelter Betafaktoren auf diese Weise nicht gesichert ist.

Fazit: In der Praxis wird daher geschlussfolgert, dass zur Vermeidung von Schätzfehlern im Fall einer sehr geringen Handelsaktivität Betafaktoren einer Peer Group verwendet werden müssen, statt auf historische Kurse des zu bewertenden Unternehmens zurückzugreifen.

 

Urteile:

  • BVerfG v. 27.04.1999 – 1 BvR 1613/94, DB, 1999, S. 1693.
  • BGH v. 12.03.2001 – I ZB 15/00, AG, 2001, S. 417.
  • OLG Stuttgart v. 18.12.2009 – 20 W 2/08, ZIP 2010, 274 [juris Rz. 255].

Literatur:

  • Scholes/Williams, Journal of Financial Economics, 1977, S. 309 ff.; Dimson, Journal of Financial Economics, 1979, S. 197 ff.
  • Krieger, G., BB 2002, S. 56.
  • Erhardt/Nowak, AG Sonderheft 2005 Fair Valuations, Moderne Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen, S. 3 ff.
  • Knoll, L., Unternehmensbewertung und Management, Die Ermittlung des Beta-Faktors im CAPM bei aktienrechtlichen Zwangsabfindungen, 6/2005, S. 177.
  • Zimmermann, P., Schätzung und Prognose von Betawerten: Eine Untersuchung am deutschen Aktienmarkt, 1997, S. 123.