Abseits der regulierten Börsen hat sich in den vergangenen Jahren ein anonymer Aktienhandel in sogenannten „Dark Pools“ etabliert. Bei Dark Pools, auch Systematische Internalisierer genannt, handelt es sich um quasi unregulierte alternative Handelsplattformen, zu denen ausschließlich Großanleger wie Fonds, Vermögensverwalter und Versicherungen Zugang haben. Da die meisten Plattformen in London betrieben werden, unterliegen diese, im Gegensatz zu den amtlichen Börsen, weder der Aufsicht durch die jeweiligen Bundesländer noch der Kontrolle durch die BaFin (Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungsaufsicht). Nahezu jede Investmentbank betreibt inzwischen mindestens einen Dark Pool.

Gegenüber den regulierten Börsen (wie beispielsweise XETRA der Deutschen Börse), die fortlaufend Kurse, Handelsvolumina und Daten zu Angebot und Nachfrage veröffentlichen müssen und den privatrechtlichen Handelsplätzen (Multilateral Trading Facilites, kurz MTF, wie beispielsweise BATS Chi-X), die ebenso transparent Kurse und andere Handelsdaten veröffentlichen, herrscht in Dark Pools weitestgehend Intransparenz. Diese Intransparenz wird von den institutionellen Akteuren ausdrücklich gewünscht, um abseits des Publikumsverkehrs große und damit unhandliche „block trades“ (d.h. große Aktienpakete) handeln zu können. Einzelne block trades umfassen regelmäßig so große Stückzahlen, dass sie dem täglichen Handelsvolumen der Unternehmensaktie an den regulären Handelsplätzen[CW|W1]  entsprechen.

Die Akteure in Dark Pools agieren völlig anonym. Abgesehen vom Betreiber der Plattform weiß niemand, um wen es sich bei dem Handelspartner auf der Gegenseite handelt. Das System ermittelt den passenden Handelspartner. Bei der Preisfindung orientieren sich die Akteure an den von den regulären Handelsplätzen veröffentlichten Kursnotierungen.

An den regulären Börsenplätzen würden derart große Orders Aufsehen erregen und Hochfrequenzhändler auf den Plan rufen. Den dabei entstehenden Kursausschlägen wollen sich Großanleger nicht aussetzen. Beispielsweise würde ein Fonds, der große Aktienpakete verkaufen möchte, sich selbst seine Verkaufskurse drücken. Der Vorteil der Dark Pools liegt damit in der Anonymität und dem störungsfreien Handel ohne Kursverzerrungen. Zudem fallen in Dark Pools geringere Transaktionskosten an.

Kritiker dieser Schattenbörsen führen beispielsweise an, dass die Betreiber der Plattformen regelmäßig Orders gegen die eigenen Bestände ausführen und sich daraus ggf. ein Interessenskonflikt entgegen der „best execution policy“ (ein Ausführen von Orders zu den besten Konditionen) ergibt. Zudem können die Betreiber Informationen über gestellte Orders verwenden, um proaktiv Pakete zu handeln (sogenanntes „frontrunning“).

Insbesondere führt ein zunehmender Handel in Dark Pools aber dazu, dass den regulären Börsen ein großer Teil der Liquidität entzogen wird. Tatsächlich findet inzwischen schätzungsweise bis zur Hälfte des gesamten Handels in Dark Pools statt. Dies hat unter anderem zur Folge, dass einige Unternehmen um ihre Listung in einem Aktienindex bangen müssen. Neben der Marktkapitalisierung ist auch der Handelsumsatz auf XETRA ein Kriterium für die Zugehörigkeit zu einem Aktienindex.

Welche Probleme ergeben sich aus der zunehmenden Bedeutung von Dark Pools im Rahmen der Unternehmensbewertung?

·         Zur Ableitung von Kapitalkosten in der Unternehmensbewertung werden Betafaktoren berechnet, die auf Kursdaten börsennotierter Unternehmen basieren. Voraussetzung für valide Berechnungen ist ein ausreichend liquider Aktienhandel. Wenn ein großer Teil der Handelsdaten nicht veröffentlicht wird und damit für den Bewerter nicht verfügbar ist, erschwert dies die Ermittlung von Betafaktoren. Ggf. müssen im Ergebnis Betafaktoren von vermeintlich illiquiden Aktien verworfen werden, da deren Handel zu einem großen Teil in Dark Pools stattfindet.

·         Bei der Abfindung von Aktionären ist, unter Berücksichtigung der Verkehrsfähigkeit der Aktie, der Börsenkurs als Mindestwert heranzuziehen (BVerfG vom 27.04.1999). Gemäß BGH-Urteil vom 12.03.2001 wird die Verkehrsfähigkeit der Aktie verneint, wenn bestimmte Liquiditätskriterien nicht erfüllt sind. Darüber hinaus liefert der für öffentliche Angebote maßgebliche § 5 Abs. 4 der WpÜG-Angebotsverordnung einen Hinweis für die Verwendung von Börsenkursen bei geringem Handel[CW|W2] . Zur Beurteilung der Liquidität sind Kurse von regulierten Börsen und, gemäß Rechtsprechung, auch Freiverkehrskurse relevant. Ggf. muss anhand der veröffentlichten Kursdaten auf eine geringe Liquidität einer Aktie geschlossen und der Börsenkurs als Mindestabfindungswert verworfen werden, während sich unter Einbezug der Handelsvolumina aus Dark Pools eine Berücksichtigung des Börsenkurses als Mindestwert der Abfindung ergeben würde.

Kapitalmarktexperten sprechen sich dafür aus, dass der gesamte Aktienhandel zurück an die regulierten Börsen überführt werden sollte. Die EU plant im Rahmen der Finanzmarktrichtlinie MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive), einem regulatorischen Rahmenwerk für Wertpapiergeschäfte in Europa, eine schärfere Regulierung der Dark Pools. Die EU-Kommission hat im Februar 2016 vorgeschlagen, den Termin für die Anwendung von MiFID II um ein Jahr zu verschieben.