Inhalt

Was ist das Geschäftsmodell bestandshaltender Immobilienunternehmen?
Welche Bewertungsanlässe sind nicht Gegenstand der vorliegenden Betrachtungen?
Welche Bewertungsanlässe treten für bestandshaltende Immobiliengesellschaften auf?
Wie sind bestandshaltende Immobiliengesellschaften zu bewerten?

Was ist das Geschäftsmodell bestandshaltender Immobilienunternehmen?

Im Bereich der Immobilienwirtschaft können sich Unternehmen z.B. mit dem Maklergeschäft, als Bauträger, als Projektierer oder eben als Bestandshalter beschäftigen. Bestandshaltende Immobiliengesellschaften erwerben Immobilien, um diese zu vermieten. Erworben werden in der Regel ganze Portfolien von Immobilien und keine Einzelobjekte wie ein Einfamilienhaus oder eine Eigentumswohnung. Die Zielimmobilien können je nach Ausrichtung des Bestandshalters Wohnungen, Büroflächen, Gewerbeflächen oder Parkhäuser sein. Da sich in dem Portfolio häufig Immobilien befinden, die nicht der Zielstruktur des Bestandshalters entsprechen, verkaufen Bestandshalter auch regelmäßig Immobilienpakete. Das Kriterium, welche Immobilie in das Portfolio passt, kann sich am Preisniveau der Wohnungen, der geographischen Lage, der Größe der Objekte oder dem Zustand der Objekte ausrichten.

Für die effiziente Bewirtschaftung von Immobilien ist die Umsetzung einer bestimmten Strategie unerlässlich. Luxuswohnungen und die preiswerte „Platte“ können nicht durch ein Verwaltungsteam betreut werden, da die Kunden bzw. Mieter an die Fähigkeiten der Gesprächspartner unterschiedliche Anforderungen stellen. Sanierungsbedürftige Objekte können den Erfahrungsrahmen, die Managementkapazitäten und die Kompetenzen des Bestandshalters übersteigen. Kurzum besteht das Geschäftsmodell des Bestandshalter zwar im Erwerb und der Vermietung und Verwaltung von Immobilien, allerdings zwingt die Zusammensetzung erworbener Immobilienpakete bzw. Portfolien regelmäßig dazu, auch als Verkäufer aufzutreten, um die eigene Firmenstrategie möglichst stringent umsetzen zu können, d.h. ein der verfolgten Strategie entsprechendes Portfolio verwalten zu können.

Ziel des steten Erwerbs von Zielimmobilien ist, wie in anderen Branchen auch, das nachhaltige Unternehmenswachstum. Die Zusammenführung von Immobilienbeständen zur Erreichung einer angestrebten Unternehmensgröße führt zu Synergieeffekten auf den unterschiedlichsten Ebenen. Große Bestandshalter erhalten Kredite für weitere Akquisitionen oder für die Modernisierung von Beständen zu günstigeren Konditionen. Sanierungsleistungen und Modernisierungsmaßnahmen können bei großen Auftragslosen günstiger eingekauft werden, womit die Baukosten je Quadratmeter zu sanierender Fläche entsprechend sinken. Die Verwaltungskosten der Immobilienbestände reduzieren sich je Wohneinheit aufgrund der Fixkostendegression, d.h. ein Verwaltungsteam kann 100 Wohnungen verwalten, das gleiche Team kann aber ggf. auch 1.000 Wohnungen verwalten.

Welche Bewertungsanlässe sind nicht Gegenstand der vorliegenden Betrachtungen?

Zu klären ist zunächst der Gegenstand der Bewertung, der hier thematisiert wird. Bestandshalter, die nach HGB bilanzieren, unterliegen nur der Verpflichtung, die Restbuchwerte ihrer Immobilienbestände durch eine Bewertung dahingehend zu untersuchen, inwiefern außerplanmäßige Abschreibungen erforderlich sind. Unter dem HGB gilt somit das Anschaffungskostenprinzip in Verbindung mit dem Niederstwertprinzip. Damit ist Abwertungsbedarf zu korrigieren, Wertsteigerungen der Immobilien können im Bilanzausweis dagegen nicht berücksichtigt werden. Im HGB gilt das Gläubigerschutzprinzip, wonach sich der Kaufmann eher ärmer rechnet, als er ist.

Bestandshalter, die nach IFRS bilanzieren, müssen ihre Bestände dagegen jährlich zum Bilanzstichtag neu bewerten, da die IFRS-Rechnungslegung den Ausweis des Fair Value, und damit von Marktwerten fordert. Diese Bewertung wird regelmäßig von darauf spezialisierten externen Beratern durchgeführt. Die Bewertung der Immobilienbestände richtet sich konzeptionell nach dem Immobilienwertermittlungsverordnung. Die jährliche Bewertung der Bestände führt unter IFRS in Zeiten steigender Immobilienpreise zum jährlichen Ausweis von Gewinnen aus der Neubewertung. Die Neubewertung dient der Information der Investoren. Ausschüttungsfähig sind derartige Gewinne allerdings nicht. D.h. für den Gewinnausschüttungsbeschluss bleibt es bei dem Jahresüberschuss bzw. dem Bilanzgewinn, der im handelsrechtlichen Einzelabschluss ermittelt wird.

Diese bilanziellen Bewertungsfragen sind aber nicht Gegenstand der hier vorgestellten Bewertungsanlässe. Vielmehr geht es vorliegend um die Unternehmensbewertung von Bestandshaltern und hier sind Unterschiede zwischen der reinen Bewertung von Immobilien und der Bewertung des die Immobilien haltenden Unternehmens zu berücksichtigen. Zumindest gilt dies für eine Reihe von Bewertungsanlässen.

Welche Bewertungsanlässe treten für bestandshaltende Immobiliengesellschaften auf?

Bestandshaltende Immobiliengesellschaften kaufen, wie oben bereits beschrieben, Immobilienportfolien. Diese Immobilien werden regelmäßig in Gesellschaften gehalten, womit der Kauf eines Immobilienportfolios in diesem Fall zu einem Kauf von einer oder mehrerer Immobiliengesellschaften führt. Das gleiche gilt auch für die Bereinigung des erworbenen Portfolios. D.h. die Gesellschaften mit Immobilien in Regionen, auf die sich das Unternehmen nicht konzentrieren möchte oder mit Immobilien in einem Zustand oder einem Standard, der nicht der Unternehmensstrategie entspricht, müssen wieder verkauft werden.

Bestandshalter können aber auch Ziele verfolgen, die nicht mit dem Kauf oder Verkauf von Portfolien erreicht werden können. Zum Beispiel kann das Ziel die Verschmelzung mit einer „befreundeten Gesellschaft“ sein. Hier müssen die Hinweise zur Bewertung im Umwandlungsgesetz beachtet werden. Oder eine Aktiengesellschaft will Minderheitsaktionäre ausschließen oder mit einer Tochtergesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abschließen; in diesen aktienrechtlichen Fällen müssen die Bewertungsvorgaben im Aktiengesetz beachtet werden. Man spricht zusammenfassend von umwandlungsrechtlichen oder aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen, für die gesetzliche Bewertungsregeln zu beachten sind.

Sind bestandshaltende Immobiliengesellschaften nicht börsennotiert, sondern befinden sie sich in Familienhand, dann ergeben sich im Zusammenhang mit einer Nachfolgeregelung besondere Bewertungsanlässe, die sich hinsichtlich der Bewertung von den oben genannten Beispielen unterscheiden. Wenn die Anteile an der bestandshaltenden Immobiliengesellschaft, sei es eine OHG, KG, GmbH oder AG auf die Nachkommen übertragen werden, sei es als Schenkung oder von Todes wegen im Rahmen einer Erbschaft, dann ergeben sich in jedem Fall Besteuerungsfolgen, für die eine Bewertung der Gesellschaft erforderlich ist. Im Zuge einer Nachfolgeregelung kann über die steuerrechtlich relevante Bewertung hinaus eine Bewertung erforderlich werden, wenn sich die Erben über die Aufteilung der Erbmasse streiten, etwa weil neben Barvermögen, Wertpapieren, Kunst und Gold auch noch eine Immobiliengesellschaft mit unbekanntem Wert vererbt wurde, für die dann eine Bewertung erforderlich ist, um eine gerechte Aufteilung des Erbes zu ermöglichen. Wurden einzelne Erben enterbt, greifen die gesetzlichen Vorgaben zur Bewertung des Pflichtteilsanspruchs. Steuerliche Bewertungen können aber nicht nur im Rahmen der Nachfolgeregelung und der Erbschaft- und Schenkungsteuer notwendig werden, sondern z.B. auch im Zusammenhang mit identifizierten verdeckten Gewinnausschüttungen, geldwerten Vorteilen bei Mitarbeitern – im Zusammenhang mit MBOs zu nicht marktgerechten Konditionen oder Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen – oder mit dem Ziel des Erhalts steuerlicher Verlustvorträge. Wenn Unternehmen liquidiert werden sollen, stellt auch dies einen spezifischen Bewertungsanlass dar.

Wird die Gesellschaft durch einen Gesellschafter gekündigt, dann ergeben sich aus dem Gesellschaftsvertrag Vorgaben zur Bewertung der Gesellschaft. Das Bewertungsergebnis muss den wahren Wert des Unternehmens und der Beteiligung repräsentieren. In der Regel führt der Streit hierüber zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Wert des Unternehmens durch einen gerichtlich bestellten Gutachter ermittelt wird.

Wie sind bestandshaltende Immobiliengesellschaften zu bewerten?

Es gilt wie in jedem Fall das Zweckadäquanzprinzip. Danach bestimmt der Bewertungsanlass bzw. der Bewertungszweck das Bewertungskonzept und das Bewertungsverfahren. Zum Thema Bewertungskonzept sind die Begriffe objektivierter und subjektiver Unternehmenswert zu unterscheiden. Bei den oben angeführten Bewertungsanlässen gilt, dass sobald die Bewertung gesetzlich angeordnet ist, sei es wegen eines steuerlichen Tatbestandes oder bei einer Strukturmaßnahme, muss der Wert objektiviert ermittelt werden. Für die Fälle des Kaufs und Verkaufs von bestandshaltenden Immobiliengesellschaften ist der subjektive Unternehmenswert einschlägig. Mit der Klärung des Bewertungskonzeptes objektiviert oder subjektiv ist noch keine Aussage zur Anwendung eines Bewertungsverfahrens getroffen.

Für den Kauf und Verkauf von bestandshaltenden Immobiliengesellschaften hat sich in der Branche der Net Asset Value (NAV) etabliert. Danach werden für die einzelnen in der Gesellschaft geführten Immobilien die Immobilienwerte ermittelt, sei es nach der ImmoWertV oder nach DCF-Verfahren. Vom so ermittelten Wert der Immobilien und der weiteren Aktiva kommen die bilanzierten Schulden zum Abzug, um so den Wert der Gesellschaft zu bestimmen. Das Verfahren erinnert somit an die Vorgehensweise zur Ermittlung von Liquidations- oder Substanzwerten. Bei einer Bilanz, die nach IFRS aufgestellt wurde, können bereits die in der IFRS-Bilanz ausgewiesenen Immobilienwerte verwendet werden, da diese zum Fair Value bzw. Marktwert bilanziert sind. Es steht damit auch grundsätzlich schon der Wert der Gesellschaft in Form des Reinvermögens bzw. der Eigenkapitalziffer fest. Allerdings werden in der IFRS-Bilanz auch latente Steuern ausgewiesen, die mit den stillen Reserven in der Immobilienbewertung korrespondieren. Diese latenten Steuern müssen für die Ermittlung des NAV des Unternehmens noch neutralisiert werden. Die bei M&A-Transaktionen so häufig verwendeten Multiplikatorverfahren kommen bei Transaktionen über bestandshaltende Immobiliengesellschaften eher nicht zur Anwendung.

Für die steuerliche Bewertung der bestandshaltenden Immobiliengesellschaft kann die Finanzverwaltung das vereinfachte Ertragswertverfahren nach § 199 BewG verwenden. Der Steuerpflichtige hat das Wahlrecht und kann stattdessen auch den Ertragswert der Gesellschaft als sogenannten Gutachtenwert im Sinne § 11 Abs.2 S.2 BewG ermitteln. Für die Erbauseinandersetzung zwischen Erben ist der Ertragswert als objektivierter Unternehmenswert zu ermitteln. Gleiches gilt für die Bewertung des Pflichtteilsanspruchs oder für umwandlungsrechtliche und aktienrechtliche Strukturmaßnahmen. Im Streitfall über die Ansprüche eines ausgeschiedenen Gesellschafters kommt der objektivierte Ertragswert in der Regel ebenfalls zum Tragen, wenn der Anspruch vor Gericht zu klären ist. Für aktienrechtliche Abfindungsfälle im Rahmen eines Squeeze out haben einzelne Gericht jüngst auch den Net Asset Value als Bewertungsverfahren zugelassen.

Bei der Beendigung der Gesellschaft ist der Liquidationswert des Unternehmens zu ermitteln, etwa um die Ansprüche der Gesellschafter zu ermitteln. Der Liquidationswert gilt aber auch als Mindestwert des Unternehmens, womit bei jeder Bewertung die fiktive Liquidation des Unternehmens zu simulieren ist. Die aktienrechtliche Rechtsprechung lässt diesen Mindestwert jedoch nur zu, wenn am Bewertungsstichtag ein Liquidationsbeschluss vorliegt oder die Fortführung des Unternehmens nicht mehr vertretbar ist. Diese einschränkende Rechtsprechung wird in der Literatur kritisiert. Für Abfindungsfälle außerhalb aktienrechtlicher Verfahren kann diese Rechtsprechung deshalb nicht übernommen werden, um dem Gebot der fairen Abfindungsermittlung gerecht zu werden. Das heißt, hier ist in jedem Fall bei der Ermittlung von Abfindungsansprüchen der Liquidationswert als potenzieller Mindestwert zu ermitteln. Im Verkaufsfall kann ein höherer Liquidationswert dem Käufer dagegen kaum als Preisargument entgegengehalten werden, da dieser Wert nur durch Liquidation zu erzielen ist. Der Käufer würde somit durch die Bezahlung des höheren Liquidationswertes nur die Handlungsoption gewinnen, seinerseits das Unternehmen zu liquidieren, um den Betrag zu realisieren, den er vorher bezahlt hat. Kein sinnvoller Ansatz.

Ein Einzelbewertungsverfahren, allerdings als Substanzwert, kommt auch bei der steuerlichen Bewertung zum Einsatz. Hier stellt der Substanzwert nach § 11 Abs.2 S.3 BewG den Mindestwert des Unternehmens dar und nicht der Liquidationswert. Sobald im Rahmen einer steuerlichen Bewertung der Ertragswert des Unternehmens unterhalb des Substanzwertes liegt, ist der Substanzwert der Besteuerung zugrunde zu legen. Im Unterschied zu einem Liquidationswert können die steuerlichen Folgen aus der Auflösung der stillen Reserven nicht als Abzugsposten berücksichtigt werden. Auch die Kosten einer Liquidation kommen nicht zum Abzug.